Der Kampf ist noch nicht gewonnen – Interview mit der Galeria Zeil-Betriebsrätin Katayun Strack

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Wir gratulieren Katayun Strack zu den für sie erfolgreichen Betriebsratswahlen und sind stolz noch eine erfolgreiche Betriebsratsvorsitzende in der Frankfurter SPD zu haben!

Kati, wir haben 2020 mitgebangt, als die ehemalige Karstadt-Filiale auf der Zeil plötzlich geschlossen werden sollte. Die Eigentümer haben damals aber scheinbar nicht mit dir gerechnet und damit, dass sich auch Mike Josef als Planungsdezernent stark gemacht hat für den Erhalt dieses Traditionskaufhauses, welches Arbeitgeber für fast 300 Beschäftigte ist. Damals wart ihr gemeinsam erfolgreich und konntet eine Schließung zunächst abwenden, aber wie sieht es jetzt aus, wie ist der aktuelle Stand?

Der Kampf ist noch nicht gewonnen. Der Vertrag steht zwar bis Januar 2025 fest und Fakt ist, dass wir bis dahin bleiben, es sei denn das Unternehmen würde vollständig insolvent gehen. Wir sind jetzt dabei, Kontakte zu knüpfen, zum Beispiel zu Herrn Sahle von der Firma Sahle Wohnen, dem Haupt-Eigentümer der Warenhaus-Immobilie auf der Zeil 90. Ein Treffen steht noch aus. Er hat aber bereits signalisiert, dass er kein Problem damit hat, dass die Galeria Karstadt Kaufhof im Gebäude bleibt. Und auch vom Unternehmen aus kommen ähnliche Signale, dass man eine Fortführung des Warenhauses grundsätzlich nicht ausschließt.

 

Wie sieht euer Konzept für die weitere Nutzung aus?

Wir erarbeiten gerade vor Ort Konzepte zu einer Nutzung über Januar 2025 hinaus, die in der Folge der Geschäftsführung vorgelegt werden. Sicherlich wird zu diskutieren sein, ob wir weiterhin eine Verkaufsfläche in der Größe anbieten oder uns den Gegebenheiten des sich wandelnden Marktes anpassen und Bereiche optimieren können – das könnte in der Folge zu einer Verkleinerung der Verkaufsfläche führen und würde Platz für ergänzende Angebote schaffen. Hier spielt die Gastronomie eine zentrale Rolle. Wir haben in Frankfurt und in Hessen zahlreiche Spezialitäten und lokale Größen in vielen Bereichen. Warum sollten wir diese nicht bei uns bündeln und mit beispielsweise mit den besten Winzern, tollen Kaffee-Röstern und lokalen gastronomischen Speisen mit Niveau ein Angebot schaffen, welches unser Warenhaussortiment bestens ergänzt und die Frankfurter:innen ganzheitlich abholt? Auch könnten wir uns weiterhin eine Mischnutzung der bestehenden Immobilie vorstellen, bis hin zu hochwertigen Wohneinheiten, die eine Betreuung für ältere Menschen gewährleisten würden. So ließe sich der Grundgedanke des Warenhauses – „alles aus einer Hand“ – in die Moderne übersetzen.

Für uns ist klar: Wir wollen insbesondere die Frankfurterinnen und Frankfurter, die Hessinnen und Hessen hier vor Ort abholen, das sind unsere Stammkund:innen! Das Kaufhaus Galeria Kaufhof an der Hauptwache ist mehr ausgelegt auf gut betuchte Kund:innen und internationales Publikum. Wir wollen die Bürgerinnen und Bürger abholen, die hier und im Umland wohnen und sich hier wohlfühlen. Dafür entwickeln wir das Konzept.

Sicherlich wären die Planungen einfacher, wenn sich alle – Eigentümer und Konzernleitung – gemeinsam für eine Fortführung klar positionieren, damit wir uns nicht umsonst „verkämpfen“; immerhin haben wir schon vor zwei Jahren viel Energie in den Erhalt gesteckt. Glücklicherweise ziehen wir mit der lokalen Geschäftsführung an einem Strang und versuchen gemeinsam das Haus mit guten Umsätzen nach vorne zu bringen und dies dann dem Unternehmen zu präsentieren.

Zu gegebener Zeit ist es dann sinnvoll, diesen Konzeptansatz auch mit dem Planungsdezernenten Mike Josef sowie dem Eigentümer Sahle Wohnen zu besprechen, um zu zeigen: Dieses Haus hat eine Daseins-Berechtigung! Eine so große Einkaufsstraße wie die Zeil, die Deutschlands zweitgrößte Einkaufsmeile ist, verträgt in unserer Vorstellung zwei große Warenhäuser der Galeria.

 

In der Presse wurde der Bauherr Sahle Wohnen mehrfach damit zitiert, dass er das Gebäude abreißen will. Was ist an dieser Aussage dran?

Das stimmt, er wollte bereits vor zwei Jahren eine Genehmigung für einen Neubau. Aber die heute genutzten Warenhaus- und Parkhausflächen haben auch weitere Eigentümer, was gemeinsame Absprachen und Ideen sicherlich noch herausfordernder macht. Man muss also eine gute Lösung finden, bei der alle zustimmen.

 

Der Vertrag gilt bis 2025: Werden bis dahin auch alle Stellen behalten?

Es wird glücklicherweise nicht abgebaut. Ca. 40 Mitarbeitende werden noch in Rente gehen bis 2025. Das war Mike Josef ganz wichtig, dass diese Leute nicht kurz vor ihrer Rente arbeitslos werden. Auch vom Unternehmen ist kein Personalabbau geplant: Alle, die bleiben wollen, können auch bleiben!

 

Was waren die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Kaufhaus?

Es gab hier Kurzarbeit bis letzten Monat. Jetzt wurde entschieden ab April wieder komplett zu öffnen, weil die Maßnahmen gelockert wurden, um jetzt zu testen, ob wir aus dieser Misere wieder rauskommen. Wir wollen zeigen, dass wir das können und genügend Umsätze machen. Dazu brauchen wir die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf der Fläche. Wir sind ohnehin schon knapp besetzt. Unsere Kund:innen benötigen oft zeitintensivere Betreuung und Beratung – das wird hier erwartet und gerne gemacht. Früher kannte ich hier alle Kundinnen und Kunden mit Namen und auch heute haben wir noch viele Stammkund:innen.

 

Welchen Einfluss hatte die Fusion von Galeria Kaufhof und Karstadt 2018?

Geändert hat sich für uns einiges. Sicherlich spielte das auch in der Entscheidung der Schließung eine Rolle; die Corona-Krise war da bestimmt nur der letzte Auslöser. Uns war klar, dass zwei Standorte schwierig sein werden. Schon vor zehn Jahren, als Karstadt bereits einmal insolvent war, habe ich in einem Interview mit der „Bild“ die Vermutung geäußert, dass wir möglicherweise „den Kürzeren ziehen“ werden, wenn die beiden Warenhäuser mal fusionieren.

 

Welchen Einfluss hat die Stadt Frankfurt überhaupt?

Als ich vor zwei Jahren von der geplanten Schließung erfahren habe, habe ich erstmal den Oberbürgermeister kontaktiert und bin dann recht schnell mit Mike Josef ins Gespräch gekommen, der uns sofort sehr unterstützt hat. Geplant war eine Telefonkonferenz mit Eigentümer Herrn Sahle, der Unternehmensleitung und dem Oberbürgermeister. Mike Josef kam relativ kurzfristig noch mit an den Tisch. Andere, wie Ministerpräsident Bouffier haben auch versucht zwischen den Parteien zu vermitteln.

Mike Josef konnte mit dem Argument der Verhinderung des Leerstandes und zur Bewahrung der Arbeitsplätze Einiges verhandeln: Die Miete an Sahle Wohnen wurde zum Beispiel gemindert. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Stadt Frankfurt ein Interesse daran hat, dass hier plötzlich eine Lücke entsteht und beispielsweise noch ein Kino entsteht oder ein Hotel oder teures Wohnhaus. Ein Warenhaus steigert hier einfach die Attraktivität der Innenstadt, das gehört zu einer guten Stadtplanung.

 

Gibt es Vernetzungen zu anderen ehemaligen Karstadt-Filialen?

Wir sind mit allen Häusern in der Umgebung in Kontakt, nicht nur mit Schließungsfilialen. Gemeinsame Aktionen damals bei der Schließungsdrohung gab es leider nicht. Andere Häuser haben weniger Erfolg gehabt als wir, weil die Häuser älter waren und ohnehin abgerissen werden mussten. 

 

Was ist das Besondere in einem Kaufhaus wie dem an der Konstablerwache zu arbeiten?

Meine Eltern haben selbst im Warenhaus gearbeitet, damals im Wertkauf. 1998/99, als ich hier gestartet bin, hätte ich nie gedacht, dass ich mal so lange bleibe, aber die Atmosphäre ist einfach eine Besondere, man wächst hier zusammen wie eine Familie. Deshalb war mir vor zwei Jahren, als diese Schließungsankündigung kam, klar: „Das mache ich nicht mit, euch zeig ich‘s!“ Wir hängen als Belegschaft einfach an diesem Haus, das ist das Schöne. 

 

Warum braucht die Frankfurter Zeil das Kaufhaus an der Zeil 90?

In unserem Warenhaus – egal ob wir unter Hertie, Karstadt oder nun Galeria firmieren – bekommt man Alles in einem Haus. Das ist ein Lebensgefühl. Gerade durch die Corona-Krise hat man ja gemerkt, wie sehr wir die Geschäfte, die Innenstadt und vor allem auch die Kaufhäuser vermisst haben, sich einfach mal in ein Café zu setzen und im Anschluss vor Ort shoppen gehen zu können. Wenn ich mir die Innenstadt ohne unser Warenhaus vorstelle, dann sieht das für mich sehr leer aus. Mir fehlt die Phantasie, was hier statt unser sein sollte und einen noch größeren Nutzen für die Stadt und die Besucher:innen darstellen könnte. Ich glaube, auch umliegende Geschäfte wie P&C oder C&A würden darunter leiden. Die Meisten schätzen es auch immer noch sehr die Waren, die sie kaufen, in der Hand zu halten und gleich anprobieren zu können, anstatt online zu bestellen und dann immer wieder zur Post zu laufen. 

Nicht zu vergessen sind wir auch Arbeitgeber für mehrere hunderte Menschen aus Frankfurt und Umgebung. Und wir haben als deutsches Unternehmen unseren Firmensitz im Inland und unterliegen somit den steuerlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten und leisten hier gerne einen relevanten gesellschaftlichen Beitrag. Das unterscheidet uns wesentlich von Unternehmen, die rein als Online-Anbieter tätig sind und gnadenlos alle sich bietenden Schlupflöcher nutzen und sich damit einer gesellschaftlichen Verantwortung entziehen. Über ökologische Aspekte dieses Paket-Wahnsinns mag ich dabei gar nicht sprechen.

Es gibt viele Menschen, die hier in der Gegend arbeiten und zum Mittagessen und zum Bummeln mittags vorbeikommen. Wenn das Warenhaus nicht mehr existieren sollte, verkümmert die Innenstadt auch ein Stück weit. Wenn man von der Hauptwache dann die Zeil hinunterläuft hören nach der Galeria an der Hauptwache, Zeilgalerie und MyZeil die schönen, neuen Gebäude auf und die Fassaden werden schlimmer, die Attraktivität nimmt ab, Läden schließen. Ich bin mir sicher, auch Mike Josef will das nicht, dass die Innenstadt nur an der Hauptwache und vorderen Teil der Zeil schön aussieht bis zur MyZeil/Douglas, sondern dass die gesamte Innenstadt ein Konzept hat, in dem sich die Menschen wohlfühlen – von der Hauptwache bis zur Konstabler und darüber hinaus.

 

Das Interview führte Stefanie Minkley für den UBV.