Diese Koalition kann eine lange Zukunft haben

|   Aktuelles

SPD-Parteichef Mike Josef erklärt, was ihn an der Ampel-Plus begeistert. Stadtplanung und Klimaschutz sollen kein Widerspruch sein. Mike Josef, SPD-Parteivorsitzender und Planungsdezernent, ist sich sicher, dass das neue Bündnis aus Grünen, SPD, FDP und Volt gut zusammenarbeiten wird.

 

Schon die Gespräche in der Sondierung waren sehr harmonisch, wohlwollend und angenehm. Die Debatten waren stets lösungsorientiert, immer stand die Sache im Vordergrund. Das zeigt sich auch jetzt in den Koalitionsverhandlungen. Es wird diskutiert, ohne sich gegenseitig Vorhaltungen zu machen. Ich wünsche mir, dass das so weiter geht und bin mir sicher, dass diese Koalition wirklich eine lange Zukunft haben kann, wenn wir es gut und richtig machen.

Das heißt: Auch mit den Grünen fängt man jetzt noch einmal von vorne an?

Alle haben festgestellt: Jeder von uns profitiert, wenn wir in der Sache vorankommen. Wir als Stadtregierung müssen die Herausforderungen der Zeit lösen und dürfen uns nicht nur mit uns selbst beschäftigen. Denn das bringt nichts. Die Devise der neuen Konstellation lautet: Wenn es Verlässlichkeit und Vertrauen gibt, findet man auch in den Inhalten immer eine Lösung.

Also werden die kommenden fünf Jahre harmonischer laufen als die zurückliegenden?

Ja, davon gehe ich aus.

Wer die SPD in den vergangenen Jahren erlebt hat, hätte leicht den Eindruck gewinnen können, sie gehöre zur Opposition. Die Sozialdemokraten haben oft die Konfrontation mit den Koalitionspartnern gesucht und auch deren Dezernenten nicht geschont. Wie kann das jetzt in der neuen Konstellation besser laufen?

Das ist kein Problem. Wir alle wollen eine gute Arbeitsatmosphäre. Das hat auch bei uns jeder verstanden. Alle wissen: Es ist ein Geben und Nehmen. Man möchte sich auf Augenhöhe begegnen und verfolgt gemeinsame Ziele.

Auch mit der FDP?

Ja. Es gibt viele Schnittmengen. So will beispielsweise auch die FDP weniger Autos rund um die Innenstadt schaffen, mehr Platz für den öffentlichen Raum und mehr bezahlbaren Wohnungsbau. Und ich bleibe dabei: Da, wo es manchmal auch Debatten gibt, gilt es, gemeinsame Wege zu finden.

Klingt nach Friede, Freude, Eierkuchen.

Natürlich gibt es auch in der Konstellation inhaltliche Debatten und unterschiedliche Auffassungen. Es geht aber um die Art und Weise, wie man diese löst. Da macht der Ton die Musik. Da sind wir auf einem guten Weg. Ich spüre einen Aufbruch.

Welche Rolle soll der Oberbürgermeister in der neuen Koalition spielen? Der vorigen ist er immer wieder in die Quere gekommen.

Der Oberbürgermeister ist der Oberbürgermeister. Er ist direkt gewählt. Die Koalition hingegen wird von den Parteien getragen. Am Ende ist es ein Zusammenspiel im Sinne unserer Stadt.

Anders gefragt: Wie wollen Sie den Oberbürgermeister bändigen?

Wenn eine Koalition gut, vernünftig und zielorientiert zusammenarbeitet und Dinge voranbringt, wird das der Oberbürgermeister nicht nur unterstützen sondern auch mittragen. Das hat er deutlich gemacht. Es hat niemand etwas davon, darüber zu diskutieren, wer, wann, wo, mit wem an einem Tisch sitzt. Die Ziele, die wir als Stadt gemeinsam verfolgen, müssen auch gemeinsam realisiert werden.

Haben Sie darüber mit dem Oberbürgermeister schon gesprochen?

Ja, selbstverständlich.

Wenn die Staatsanwaltschaft doch Anklage gegen den Oberbürgermeister erheben sollte, wie wird sich dann die SPD verhalten?

Die Unschuldsvermutung gilt auch für den Oberbürgermeister. Ich werde nicht über ungelegte Eier reden. Von daher macht es keinen Sinn, sich an Spekulationen zu beteiligen.

Kommen wir mal zu den Koalitionsverhandlungen. Wie läuft's?

Gut.

Wie ist die Stimmung?

Die Gespräche sind sehr vertrauensvoll und viel inhaltlicher, aber auch unaufgeregter als noch vor fünf Jahren. Man spürt einen neuen, frischen Wind, der da durch die Koalition, aber auch durch das gesamte Stadtparlament weht. Es gibt jetzt viele junge Stadtverordnete, einige sitzen auch mit am Verhandlungstisch.

Wie wirkt sich das auf die Koalitionsverhandlungen aus?

Es geht nicht mehr nur um das Klein-Klein, sondern um große Lösungen für die Herausforderungen dieser Zeit, um eine Idee für eine Stadt, in der die Menschen friedlich und sozial zusammenleben, der öffentliche Nahverkehr ausgebaut und die Plätze grüner werden sollen. Es gibt einen gesellschaftlichen Wandel, wie wir Stadt sehen. Und der ist durchaus klarer in den Inhalten beziehungsweise progressiver als bisher.

Wie meinen Sie das?

Klarer in der Art der Inhalte, die durchgesetzt werden müssen. Diese Koalition ist ein spannendes Projekt. Und auch dass Volt mit dabei ist, ist ein Ausdruck für den frischen Wind.

Nun sind Sie ja nicht nur SPD-Parteichef sondern auch noch Planungsdezernent. Die grüne Basis hat mit ihrem Votum gegen die Günthersburghöfe klar gemacht, dass ihr Klimaschutz über alles geht. Wie soll das funktionieren? Kann dann in Frankfurt überhaupt noch gebaut werden?

Stadtplanung und Klimaschutz sind kein Widerspruch. Die Stadt kann trotzdem weiterentwickelt werden. Dazu braucht es aber die Zusammenarbeit in einer Koalition. So müssen wir beispielsweise vor allem alte Bestandsgebäude modernisieren, wenn wir klimaneutral werden wollen. Das darf aber nicht bedeuten, dass Mieter sich ihre Wohnung nicht mehr leisten können. Das ist eine Herausforderung, aber keine Sache der Unmöglichkeit.

Wie steht es um den neuen Stadtteil im Nordwesten?

Der ist natürlich auch Teil der Koalitionsverhandlungen. Wir werden uns genau anschauen, welche Baugebiete wir unter welchen Rahmenbedingungen entwickeln. Ich werde aber keine öffentlichen Koalitionsverhandlungen führen.

Wird der Mainkai für den Autoverkehr wieder gesperrt?

Auch das werden wir in den Koalitionsverhandlungen beantworten. Ich mache aber keinen Hehl daraus, dass uns in der Verkehrspolitik der öffentliche Raum wichtig ist. Der öffentliche Raum muss für die Menschen da sein. So wie ich die Stimmung in den vergangenen Wochen mitgenommen habe, arbeiten wir alle unter dem Motto: Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg.

Wie stark spielt die Corona-Krise eine Rolle in den Verhandlungen?

Die Pandemie spielt natürlich eine Rolle, insbesondere wenn es um die Finanzpolitik geht. Wir müssen kluge Investitionen tätigen beispielsweise die Verödung der Innenstadt verhindern und der Wirtschaft helfen, wieder aufzustehen. Kluge Investitionen bedeuten immer, dass man langfristig Reparaturarbeiten oder -kosten vermeidet.

Wie rot wird denn der neue Koalitionsvertrag?

Ich habe mir fest vorgenommen, nicht mehr über so Plattitüden zu reden nach dem Motto: Das trägt die Handschrift des einen und das des anderen. Viel wichtiger ist doch, was wir gemeinsam erreichen wollen, nämlich, dass die Menschen in dieser Stadt ein zu Hause haben, dass sie sich keine Sorgen machen müssen, verdrängt zu werden, dass wir Arbeitsplätze sichern, die Klimaschutz-Ziele erreichen und die Wirtschaft wieder aufbauen. Am Ende wird es einen gemeinsamen Koalitionsvertrag geben. Das ist dann unser gemeinsamer Kompass. Und wenn ich den Koalitionsvertrag unterschreibe, mache ich das, weil ich als SPD-Parteivorsitzender hinter ihm stehe.

Werden Sie dann auch noch Planungsdezernent sein?

Auch das wird sicherlich noch in den kommenden Tagen diskutiert.

Die Gespräche sind viel inhaltlicher, aber auch unaufgeregter als noch vor fünf Jahren.

Frankfurt- Die Verhandlungsgruppen der neuen Koalition aus Grünen, SPD, FDP und Volt wollen in diesen Tagen auf die Zielgerade ihrer Gespräche einbiegen. Das gaben die vier Parteien am Mittwoch in einer gemeinsamen Pressemitteilung bekannt. Demnach soll schon in der kommenden Woche der Entwurf des Koalitionsvertrags präsentiert werden.

Seit mehr als zwei Wochen beraten die Parteien nun schon über ihr neues Bündnis. Die Gespräche führen zehn Fachverhandlungsgruppen und natürlich auch die Hauptverhandlungsgruppen. In den Fachgruppen haben jeweils zwei Personen pro Partei in den unterschiedlichen Politikfeldern - etwa Bildung und Verkehr - verhandelt. Dabei seien viele Übereinkünfte erzielt worden, die die inhaltliche Basis des Vertragsentwurfs bilden werden. "Diese Form der Verhandlungen trägt zu einer breiten Einbindung von Personen und Fachwissen ebenso bei wie zur inhaltlichen Tiefe des Vertragsentwurfs, die wir gemeinsam anstreben", heißt es in der Mitteilung.

Einen ersten Vorgeschmack darauf bieten die dann aufgeführten Punkte. So ist die Rede davon, dass die Stadt bis 2035 klimaneutral umgestalten werden soll. Es müsse mehr Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum geben, mehr Teilhabe und Mitbestimmung, aber weniger Lärm, Müll und Schadstoffe. Zudem müssten die Chancen der Digitalisierung genutzt und die sozialen Probleme angegangen werden. Besonders die soziale Frage des Wohnens genieße dabei einen hohen Stellenwert. "Erklärtes Ziel ist es, mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und für Mietpreise zu sorgen, die sich alle Menschen leisten können", heißt es.

Aus wie vielen Dezernenten der neue Magistrat bestehen wird, ist noch nicht bekannt. Derzeit gibt es zehn hauptamtliche Stadträte plus den Oberbürgermeister, 13 wären möglich. Vor einer Aufstockung jedoch warnte jetzt der Gesamtpersonalrat der Stadt. "Die Schaffung weiterer Dezernate wäre bei der derzeitigen Haushaltssituation absolut unangemessen", teilte der Vorsitzende des Gesamtpersonalrats Christian Barthelmes mit. "Es kann nicht sein, dass der Stellenausbau aufgrund von Sparmaßnahmen in der Stadtverwaltung gehemmt wird, während über neue Dezernate als Verhandlungsmittel in einer Koalition diskutiert wird."

Bereits im Vorfeld der Gespräche über eine neue Koalition hatte der Gesamtpersonalrat den bestehenden Magistrat dazu angemahnt, das zu erwartende Haushaltsdefizit nicht auf dem Rücken der städtischen Mitarbeiter auszutragen. Mit den Unterschriften der Personalratsvorsitzenden aller 27 Dienststellen wurde der Stadtregierung im Februar eine Resolution überreicht, in der etwa auf die steigenden Krankenzahlen durch die enorm gestiegene Arbeitsverdichtung in allen Ämtern hingewiesen wurde.

 

Das Interview führte Julia Lorenz von der Frankfurter Neuen Presse.