„Künstliche Intelligenz geht nicht mehr weg“ – SPD diskutiert mit Gästen über die veränderte Arbeitswelt und die gesellschaftliche Teilhabe an der KI-Entwicklung

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Mit dieser Veranstaltung wollte die SPD Frankfurt auf die entscheidende Bedeutung der Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz (KI) auf die Arbeitswelt aufmerksam machen.

„KI verändert die Arbeitswelt!  – Was können WIR tun?“ lautete der Titel der gut besuchten Podiumsdiskussion auf Einladung der SPD. Am Freitagabend (24.05.) stellte man sich im Massif Central in der Innenstadt den Herausforderungen einer Welt, die sich zunehmend durch technologische Innovationen verändert.  Folglich wurden denn auch Wege diskutiert, wie die Teilhabe der Menschen an dieser Entwicklung aussehen könnte und sollte. Moderatorin und Grimme Online Preisträgerin Michaela Böhm machte zu Beginn das Publikum auf den Ist-Zustand aufmerksam: „KI geht nicht mehr weg“, sagte sie. Die KI-Entwicklung träfe aktuell vor allem „Kopfarbeiterinnen und –arbeiter“, meint die freie Journalistin.  So stünde Grafikern und Illustratoren der Schweiß auf der Stirn. „Aber fallen ganze Teile des Arbeitslebens weg – oder arbeitet der Mensch mit der Technik?“ fragte sie das kompetent besetzte Podium.

Prof. Dr. Christian Kellermann vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) wies darauf hin, dass unsere einfachen Techniken im Beruf teilweise einfach zu ersetzen seien. Aber häufig überschätzten sich die Entwickler der Algorithmen. „Auch Algorithmen sind Fehler und störanfällig und haben die ganzen Probleme, wie jede andere Maschine auch“, sagte er. Er machte auf den Umstand aufmerksam, dass schon bei der Entwicklung der Robotisierung die Mittelklasse der Gesellschaft stark von Veränderungen und Veränderungen im Erwerbsleben betroffen worden sei. Durch KI seien jetzt auch im Dienstleistungssektor „die Menschen mit einfacheren bis hin zu komplexeren Bürotätigkeiten betroffen. Ich warne deshalb vor zu viel Euphorie“, so Kellermann.

Karmela Holtgreve leitet den Zentralbereich Strategie und Innovation bei der Deutschen Bundesbank und ergänzte Kellermanns Aussagen: „Wir müssen verstehen, wie KI-Technologien in Unternehmen eingesetzt werden. Wir müssen KI selbst verstehen und Anwendungserfahrungen damit sammeln“, bekräftigte Holtgreve. „Wie gehen wir in finanzpolitische Entscheidungen? Wie verändert sich Markt?“, das sind ihrer Meinung nach die relevanten Fragen, wenn die Bundesbank ihrem Mandat nachkommen solle. Auch ihr Arbeitsbereich erforsche deshalb die KI-Technologie. „Lernen wir am besten, indem wir die Technologien selbst anwenden“, meint Holtgreve.

Andreas Fröhlich von der Software AG aus Darmstadt ist nicht nur euphorisch, was den Einsatz von KI angeht. Viele Ergebnisse von KI seien bisher “nur mittelmäßig” meint er. KI könne komplexe Kontexte bisweilen nicht erkennen. Zwar produziere KI funktionierende Codes für Programmierer, was beim “Brot und Buttergeschäft” helfe. Als Direktor für Informationssicherheit schlügen bei ihm jetzt aber vermehrt Probleme auf. Sprachnachrichten des CEOs seien aufgetaucht, “die absolut echt klingen” und mit denen die Finanzabteilung des Unternehmens aufgefordert werde, Überweisungen auf unbekannte Konten zu tätigen. Ein klarer Fall von Cyber-Betrug. “Den Unterschied dieser Fakes hätte niemand erkennen können”, sagt er warnend.

Armand Zorn, Mitglied des Bundestages und als solches Mitglied im Ausschuss für Digitales gibt anschließend eine politische Einschätzung ab: „Es liegt noch einiges an politischer Arbeit vor uns“, so der Frankfurter Abgeordnete. Er brachte in der Folge Beispiele in die Diskussion ein, wo KI zu begrenzen sei. Zorn führte Social Scoring Systeme wie in China an, die in der Europäischen Union nun zurecht verboten worden seien. Der SPD-Mann forderte eine stärkere Mitbestimmung der Arbeitnehmerschaft beim Einsatz von KI in den Unternehmen. Wichtig sei insbesondere das Recht auf Erklärbarkeit. „KI ist unfassbar komplex geworden. In Teilen verstehe ich selbst ehrlich gesagt nicht, was das KI-System gerade für Arbeitsschritte gemacht hat“, äußerte der SPD-Politiker. Es brauche deshalb Transparenz darüber, „wo KI im Einsatz sei und was dabei mit welchen Daten gemacht werde“, so Zorn. „Die Menschheit dürfe sich nicht zu sehr auf Technologie verlassen. Wir müssen immer einen kritischen Abstand gegenüber Technologien haben“, warnte er.

Dietmar Kuttner aus dem Gesamtbetriebsrat der Siemens AG ergriff anschließend das Wort. Er setzt sich für Weiterbildung und Sicherstellung betrieblicher Mitbestimmung bei der Frage ein, wo und wie KI eingesetzt wird. Die Algorithmen könnten mannigfache Auswirkungen auf die Belegschaft haben. Es gelte darum, dass die Kolleginnen und Kollegen Klarheit bekommen. So würden bei der Siemens AG heute schon rund 380 budgetierte Chat-GPT Anwendungen laufen. „Es gibt in den Betriebsräten nur wenige Experten, die überhaupt diese Komplexen Themen bearbeiten können. Und 91 Prozent der Betriebe haben keinen Betriebsrat“, wies er mahnte er.

Nach diesen Statements sorgte Moderatorin Böhm für große Überraschung im Publikum. Als sie ankündigte, dass nun eine Gruppenarbeitsphase des Publikums stattfände, in denen Leitfragen formuliert werden sollten. So manch einer der rund 80 Gäste mag sich gefragt haben: Muss ich jetzt auch was sagen? „Ja“, gerade das Gespräch an Gruppentischen und die Sammlung von Anliegen sollten die weitere Diskussion enorm bereichern. Eine gute Idee, um den Freitagabend zu beleben. Die Runden wollten teilweise kein Ende mehr finden, sodass Moderatorin Böhm einige Zeit benötigte, um die Aufmerksamkeit aus den Diskussionsrunden wieder auf das Podium zurichten.

Ein Teilnehmer berichtete anschließend aus seiner Diskussionsgruppe: „Haben wir als Gesellschaft denn verstanden, was in KI drin‘ steckt – und was sich schnell ergeben könnte, wo Gesellschaft gar nicht nachkommt?“ Große KI-Unternehmen würden „einfach machen und sich von der Politik gar nicht so viel reinreden lassen“. Andere Fragen aus dem Publikum lauten: „Müssen Arbeitnehmer selbst Risiken und Chancen erkennen? Wer zeigt die Vor- und Nachteile für uns Arbeitnehmer auf? Wie tief soll der Durchschnittsbürger KI durchdringen müssen? Muss er neuronale Netze studieren oder reicht es Anwenderkenntnisse zu gewinnen?  Ein weiter Gast fragt: „Wer hat am Ende die Herrschaft über die Daten?“ Dann wird auch noch auf den erheblichen Energieverbrauch durch mehr KI-Anwendungen aufmerksam gemacht. „Ist nachhaltigeres Wirtschaften mit KI möglich?“ lautete deshalb ein weiterer Denkanstoß von den Gruppentischen. Fragen, auf die das Podium noch länger und ausgiebig einging. Prof. Kellermann wies etwa auf eine neue Studie der Beratungsfirma McKinsey hin, nach der ein Viertel der Arbeitszeit einsparbar sei. Und in der Bundesbank würden alle angewendete Modelle nachvollziehbar sein, damit die Mitarbeitenden in einzelne Vorgänge hineinblicken könnten, verdeutlichte Holtgreve. Und Armand Zorn erklärte dem Publikum den AI-Act der Europäischen Union, der die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger schützen solle und gleichzeitig Innovation und Technologie fördern. Dieser verpflichte zur Offenlegung der angewendeten KI-Systeme gegenüber den Anwendern und Kunden. Zorn empfahl auch, nicht auf reine Geschwindigkeit bei der Entwicklung von KI-Technologien zu setzen. In den Vereinigten Staaten würden zwar viele Innovationen geschaffen, „aber auch unfassbar viele negative menschliche Folgen“, sagte er besorgt, und weiter: „Wir wollen am Ende keine Plattformen die Menschen kaputt zurücklässt! Die Chance Europas liegt darin, KI made in Europe zu machen – unter Berücksichtigung sozialer, ethischer und ökologischer Faktoren“, so Zorn.

Ina Hauck, Sprecherin des Arbeitskreises Wirtschaft der Frankfurter SPD zog nach der Veranstaltung ein positives Fazit zur lebhaften Diskussion. Sie appellierte an alle: „Es wird in Zukunft nicht reichen, dass einzelne Menschen sich mit KI auskennen. Wir müssen als Gesellschaft als Ganzes in der Lage sein, KI zu hinterfragen. Dafür müssen wir mehr in Bildung investieren – Bildung in den Schulen, in den Unternehmen und auf allen Ebenen unserer Gesellschaft“, forderte Hauck und versicherte, dass die SPD an dem Thema dranbliebe.