Schul- und Baudezernentin Sylvia Weber über Sparvorgaben, Standortsuchen und die Vorteile des Doppeldezernats

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Bau- und Bildungsdezernentin Sylvia Weber im Interview mit der FNP. Das Interview ist am 27.06.2022 erschienen.

Stadträtin Sylvia Weber (SPD) hat schon viel von der Welt gesehen, denn einst arbeitete sie als Flugbegleiterin für Lufthansa. Doch eigentlich ist die 1963 in Stuttgart Geborene Diplom-Kauffrau. Sie hat Wirtschaftswissenschaften mit dem Schwerpunkt Wirtschaftsinformatik studiert. Zwölf Jahre lang war sie Referatsleiterin im Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst; 2007 wurde sie Geschäftsführerin eines Bibliothekskonsortiums zum Erwerb elektronischer Literatur für die deutschen Hochschulen und Forschungsinstitute an der Universitätsbibliothek.

Mitglied bei der SPD ist die 58-Jährige seit 1998. Drei Jahre später war sie bereits Stadtverordnete. 2011 wurde sie zur bildungspolitischen Sprecherin ihrer Fraktion und stellvertretenden Fraktionsvorsitzende ernannt. Seit 2016 ist Weber Dezernentin, zunächst zuständig für die Ressorts Bildung und Integration. Seit September ist die Wahl-Oberräderin für Bildung und Bauen zuständig.

Seit September ist Stadträtin Sylvia Weber (SPD) nicht nur für das Ressort Bildung zuständig, sondern auch für Bauen. Warum das besser funktioniert und wie sie zu einer möglichen Abwahl ihres Parteifreundes Peter Feldmann steht, darüber sprachen mit der 58-Jährigen Julia Lorenz und Dennis Pfeiffer-Goldmann.

In der jüngsten Sitzung der Stadtverordneten hatte man das Gefühl, Sie sind eine der Wenigen, die noch hinter Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) stehen. Warum ist das so?

Wie kommen Sie darauf?

Sie haben beispielsweise im Gegensatz zu den anderen Magistratsmitgliedern noch das Gespräch zum Oberbürgermeister gesucht. Wie ist denn Ihr Verhältnis im Moment zu Herrn Feldmann?

Ich arbeite mit Peter Feldmann seit gut sechs Jahren im Magistrat zusammen. Zuvor kannten wir uns aus der Arbeit in der Stadtverordnetenversammlung. Es wäre albern so zu tun, als würde man sich nicht kennen.

Warum?

Ich verantworte einen Dezernatsbereich mit etwa 5000 Beschäftigten und einem Milliardenbudget. Die Differenzen im Magistrat dürfen nicht dazu führen, dass die Arbeit liegen bleibt. Und ich halte es auch für ein Gebot der Professionalität, mit allen Magistratsmitgliedern und natürlich auch mit dem amtierenden Oberbürgermeister eine Gesprächsebene zu haben und auf Sachebene arbeitsfähig zu bleiben. Das ist meine Verantwortung.

Halten Sie es denn für richtig, dass seine Abwahl eingeleitet werden soll, wenn er bis zum 14. Juli nicht doch noch freiwillig sein Amt niederlegt?

Das ist Sache des Parlaments. Ich habe meine Meinung innerhalb der Gremien der SPD sowie in der Koalitionsrunde gesagt. Das soll genügen.

Seit September sind Sie nicht nur für Bildung, sondern auch für Bauen zuständig. Was hat sich durch den neuen Ressortzuschnitt verändert?

Zunächst habe ich den Bereich der Integration abgeben müssen. Das hat meine Aufgaben stark verändert. Natürlich habe ich dafür ein sehr wichtiges Ressort hinzubekommen. Darüber bin ich auch froh, denn jetzt habe ich viele für die soziale Infrastruktur notwendigen Bereiche in einer Hand. Das erleichtert die Arbeit ungemein.

Warum ist das so wichtig?

Ich sag es mal so: Eine meiner ersten Bemühungen war es, die Kommunikation und Koordinierung zwischen den Ämtern zu verbessern, um schneller bauen zu können. Dabei sind wir auf einem guten Weg.

Was konnten sie bisher noch anpacken?

Ich habe die Stabsstelle Schulbau eingerichtet, die derzeit an der Konzeption unserer Schulbauoffensive arbeitet. Die Ressorts Bildung und Neues Bauen sind sehr vielfältig. Wir haben viel zu tun, vor allem beim Schulbau. Hier haben wir den Wettbewerb für den Bildungscampus Gallus begonnen und den für die IGS Süd mit einer Preisvergabe abgeschlossen. Die Berta-Jourdan-Schule, die Viktor-Frankl-Schule und die Walter-Kolb-Schule haben mit ihrer Planungsphase Null begonnen und wir verhandeln derzeit verschiedene Bestandsliegenschaften, die wir zu Schulen umbauen wollen. Darüber hinaus haben wir das Silobad vor der Privatisierung gerettet, den Pachtvertrag zum Café Hauptwache verlängert sowie über den Bunker Marbachweg und die Brotfabrik verhandelt.

Sie haben von Ihrem Vorgänger auch das Projekt "Verkauf des Wohn- und Geschäftshauses in der Stiftstraße 32" geerbt. Was ist dort schiefgelaufen?

Das ist nicht schief gelaufen. Es gab eine fertige Vorlage meines Vorgängers, die ich eingebracht habe, um als Stadt ein verlässlicher Verhandlungspartner zu sein. Die neue Koalition wollte dies aber nicht mehr, vor allem im Hinblick auf die aktuelle Situation der Geflüchteten. Deshalb haben wir die Vorlage zurückgezogen und neu bewertet. Jetzt wollen wir dort interimsweise Flüchtlingswohnungen einrichten und anschließend eine Konzeptvergabe starten.

Wie bewerten Sie die Außenwirkung, wenn ein Verkauf an privat vereinbart ist, die Stadt in letzter Minute aber doch Rückzieher macht?

Ich will ein verlässlicher Verhandlungspartner sein. Es kann nicht sein, dass mit dem Wechsel der Regierung alles über den Haufen geworfen wird. Die Stadtverordneten haben dies aber mit Hinweis auf den Koalitionsvertrag zu Recht anders gesehen und neue Prioritäten gesetzt.

Eine Konzeptvergabe ist jetzt vorgesehen. Was muss man sich darunter denn vorstellen?

Wir wollen mit der Konzeptvergabe sicherstellen, dass soziale und kulturelle Nutzungen sowie gemeinschaftliches Wohnen besser möglich werden als bisher. Ich bin aktuell dabei, gemeinsam mit dem Amt und der Koalition zu klären, nach welchen Kriterien wir das Verfahren anwenden wollen. Wenn wir dies für jedes einzelne Gebäude in Gang setzen wollen, ist das sehr aufwendig und personalintensiv.

Kommen wir zum Thema Bildung: Frankfurt braucht perspektivisch mindestens 24 neue Schulen, eher mehr. Jetzt wurde die Schulbauoffensive beschlossen, Sie bekommen mehr Geld und mehr Personal.

Beschlossen wurden jetzt nur die Planungsmittel. Der Bau der neuen Schulen und die Erweiterung schon existierender Schulen wird deutlich teurer. Da reden wir von rund 2,5 Milliarden Euro.

Aber wo sollen die Neubauten alle hin? Bauplätze sind in Frankfurt ja rar.

Das ist nicht so schlimm, wie es scheint. Wir haben für die 24 Schulen schon 18 Grundstücke gefunden. Nur bei sechs Schulen wissen wir noch nicht, wo genau sie gebaut werden sollen.

Woran liegt's?

Die Suche nach Standorten ist schwer. Wir suchen teilweise schon seit Jahren erfolglos, weil wir an Eigentumsverhältnissen, Siedlungsbeschränkungsgebieten, dem Grüngürtel oder der Seveso-Richtlinie scheitern.

Für welche Schulen fehlen noch Standorte?

Für ein Gymnasium in der Bildungsregion Mitte-Nord, für eine Integrierte Gesamtschule (IGS) in der Bildungsregion Mitte, für die Grundschulen in der Platensiedlung, im Gutleutviertel und der Innenstadt und für das Gymnasium Ost, das bisher in den Günthersburghöfen geplant war. Darüber hinaus brauchen wir natürlich auch noch Grundstücke für Auslagerungen, wenn Schulen saniert oder erweitert werden. Das ist nicht trivial.

Frankfurt braucht nicht nur neue Schulen sondern auch Wohnungen. Wie soll der Konflikt gelöst werden?

Wir werden zunehmend mehr über gemeinsame Nutzung nachdenken müssen, wie im Schönhofviertel, wo als Pilotprojekt eine eingeschobene Grundschule entsteht. Das heißt: In dem Neubau befindet sich unten eine Grundschule, darüber Wohnungen. Ich würde das gerne auch an anderen Stellen realisieren.

Seit Jahren wird auch ein neues Grundstück für die Europäische Schule Frankfurt gesucht. Zuletzt geprüft wurden Kaiserlei, die Heerstraße und der Festplatz am Ratsweg. Wo kommt die Schule denn nun hin?

Wir sind in der finalen Abstimmung. Ich gehe davon aus, dass eine Entscheidung, welches Grundstück wir dem Bund vorschlagen, noch vor den Sommerferien fällt.

Welcher Standort ist Ihr Favorit?

Es geht nicht um meinen Favoriten, sondern darum, dass die Anforderungen der Schule berücksichtigt werden. Uns ist die Europäische Schule wichtig als Infrastruktur für die Beschäftigten der europäischen Institutionen. Wir haben uns eng abgestimmt mit der Schule und dem Beauftragten der EZB. Daher gehe ich davon, dass der Vorschlag, den wir nun machen, auch akzeptiert wird.

Mit einer Europäischen Schule am Kaiserlei könnte man am Ratsweg ein anderes Problem lösen, nämlich das Gymnasium Ost.

Das hängt natürlich zusammen. Man kann sich da Vieles vorstellen, weshalb wir beides gemeinsam betrachtet haben. Auch über das Gymnasium Ost werden wir deshalb vor den Sommerferien entscheiden können.

Was spricht gegen den bisher vorgesehenen Standort an der Dortelweiler Straße fürs Gymnasium Ost?

Für uns war das ein gesetzter Standort, weil er mit der Stadtentwicklungsmaßnahme Günthersburghöfe zusammenhing. Nun ist es anders gekommen. Es gibt, zum Teil auch berechtigte, Interessen der Bürgerinitiative dort. Ich teile aber nicht die Ansicht, dass Kinder störend sind für den Artenschutz. Man sollte eine Möglichkeit finden, die für alle akzeptabel ist. Deshalb haben wir nochmal Alternativen geprüft, die aber auch auf eine ganz kleine Anzahl an Optionen hinauslaufen. Favorit sind nach wie vor die Günthersburghöfe.

Warum?

Das ist ein guter Standort für die Schüler. Das Schulprogramm kann zum Beispiel auf Umweltbildung, Klima- und Artenschutz ausgerichtet werden. Man kann Erlebnisräume für Schüler schaffen und die Schule so bauen, dass sie ökologisch und nachhaltig ist, dass sie wenig stört, etwa durch Holzmodulbauweise und indem man möglichst keine zusätzliche Versiegelung von Flächen vornimmt.

Sie müssen Schulen bauen, sanieren, erweitern und für mehr Betreuungsplätze für Kinder sorgen. Gleichzeitig sollen Sie bis 2025 aber auch sparen. Wie soll das funktionieren?

Die bisherigen Sparvorgaben sind vertretbar gewesen, weil wir Restmittel aus dem Corona-Jahr 2021 übertragen konnten. Für den Haushalt 2023 muss es nun konkreter werden. Schul- und Kitabau sind ja keine freiwillige Leistung, sondern die Eltern haben einen Anspruch darauf, das ist ein gesetzlicher Auftrag. Wir bauen stets nach Maßgabe der Wirtschaftlichkeit, aber wir benötigen das Geld natürlich schon.

Ein bisschen mehr Geld fließt ins Stadtsäckel durch die angehobenen Erbpacht-Zinssätze. Die verteuern aber andererseits das Wohnen. Wie verteidigt eine Sozialdemokratin, wenn die Stadt das Wohnen verteuert?

Im Koalitionsvertrag haben wir klar vereinbart, dass wir die Erbpacht-Zinssätze senken wollen. Die 2,5 Prozent sind durch die gestiegenen Bodenrichtwerte einfach heute nicht mehr vertretbar.

Wann gibt's die Neuregelung?

Eine dezernatsübergreifende Arbeitsgruppe versucht derzeit, eine dauerhafte, langfristige und rechtssichere Lösung zu finden. Alles unter einen Hut zu bringen ist eine Herausforderung. Zum Beispiel ist im Koalitionsvertrag eine Senkung auf 1,5 Prozent vereinbart. Wenn die Bodenrichtwerte weiter so steigen, sind wir damit aber bald an derselben Stelle wie heute. Wir wollen eine dauerhafte Senkung und diese an Bedingungen knüpfen, um zu erreichen, dass Mieten niedrig bleiben oder soziale und kulturelle Zwecke begünstigt werden. Daher stellt sich die Frage, ob wir wirklich bei den Prozentsätzen ansetzen, oder zum Beispiel, wie es der Gutachterausschuss in München vorgeschlagen hatte, die Bodenrichtwerte reduzieren, wenn eine soziale Nutzung vorgesehen ist oder niedrigere Mieten vereinbart werden. Auch projektbezogen Abschläge zu gewähren ist eine Möglichkeit.

Inwiefern wird auch an private Hausbesitzer gedacht?

Die Regelung soll nicht nur für Investoren gelten. Es ist aber eine komplizierte Materie, daher brauchen wir noch Zeit, bis wir eine tragfähige Lösung haben.

Erhalten diejenigen, die in der Zwischenzeit zu den schlechteren Konditionen unterschreiben mussten, eine Möglichkeit, in die neuen Regelungen zu wechseln?

Ich kann mir eine Übergangsregelung vorstellen, wenn es um Privatpersonen geht.

Sie haben versprochen, alle Schulen bis Jahresende mit WLAN auszustatten. Klappt das und wie viele Schulen sind schon ausgestattet?

Schon im März waren 118 der 167 Schulen ausgestattet, inklusive der großen Berufsschulen. Deshalb bin ich sehr zuversichtlich, dass wir die anderen auch bis Ende des Jahres noch schaffen.

Kommen Sie inzwischen besser an die Geräte heran?

Wir hatten Lieferengpässe. Nun haben wir über die eKom21 einen neuen Lieferanten gefunden und die alte Bestellung aufgehoben.

Bildung und Bauen sind zwei sehr große Ressorts. Ist das nicht ein bisschen viel für eine einzelne Dezernentin?

Ich bin ja nicht alleine, ich habe zwei große Ämter, das Amt für Bauen und Immobilien und das Stadtschulamt, mit vielen kompetenten und engagierten Leuten. Da habe ich tatkräftige Unterstützung.

Die Differenzen im Magistrat dürfen nicht dazu führen, dass die Arbeit liegen bleibt.

Die Suche nach Standorten für diese Schulen ist schwer. Wir suchen teilweise schon seit Jahren erfolglos, weil wir an Eigentums-verhältnissen, Siedlungs-beschränkungsgebieten, dem Grüngürtel oder der Seveso-Richtlinie scheitern.



Quellenangabe: Frankfurter Neue Presse vom 27.06.2022, Seite 8